Die Andreasmesse

Eine wahre Geschichte

Ich durfte zum ersten Mal allein mit meiner Schulfreundin zur Andreasmesse. Diese Kirmes findet jedes Jahr Ende November statt, und ich war schon ganz aufgeregt. Jahre zuvor war ich immer in Begleitung meiner Eltern dorthin gegangen. Oma steckte mir immer ein bisschen Geld zu, damit ich auch Karussell fahren konnte. Ich durfte mir etwas wünschen. Es war immer das Gleiche. Ein Los ziehen, gebrannte Mandeln und Zuckerwatte.

Endlich war es so weit. Marlene wohnte nur ein paar Häuser weiter und wir waren schon richtig aufgeregt. Es war früher Nachmittag und die Kirmes war voller Leben. Überall gab es Lichter, laute Musik und fröhliches Treiben. Fürs Karussellfahren fühlten wir elfjährige uns schon zu alt, aber das Losziehen war für mich ein Highlight. Ich konnte kaum widerstehen und kaufte gleich fünf Stück. Schnell öffnete ich sie – drei waren Nieten, aber zwei Gewinne.
Wir liefen sofort zum großen Stand, wo der Losverkäufer stand. Ich reichte ihm meine Lose, und er lachte herzlich. Dann rief er ins Mikrofon: „Und hier haben wir einen Hauptgewinn, junge Dame!“ Überrascht sah ich nach oben. Mein Herz klopfte vor Aufregung. „Nun such dir was aus“, sagte der Mann und zeigte auf die oberste Reihe.
Marlene stieß mich an und flüsterte: „Nimm dir doch der große Teddybär. Den hast du dir doch immer gewünscht.“ Ich zögerte kurz, doch dann entdeckte ich eine wunderschöne Wanduhr. Sie war aus Holz, mit einem goldenen Rahmen und einer Kordel zum Aufhängen. Ich nahm sie an mich und war ganz stolz. Meine Eltern hatten sich schon immer eine Wohnzimmeruhr gewünscht, doch sie war ihnen zu teuer gewesen.
Zu Hause angekommen fragten mich meine Eltern und Oma, warum ich mir den Teddy nicht genommen hätte. Ich strahlte übers ganze Gesicht und sagte: „Ich habe die Uhr genommen, weil ihr euch doch schon lange eine gewünscht habt.“ Meine Eltern und meine Oma nahmen mich in ihre Arme und waren stolz auf mich.

Die Uhr hing noch immer im Wohnzimmer, da war ich schon verheiratet.

© Anneliese Leding-Albani