Markus und Carmen waren noch am Donnerstagabend in einen Landgasthof, der zu einem Gestüt gehörte, gefahren, nachdem er Carmen von der Bücherei abgeholt hatte. Sie verbrachten einen gemütlichen Abend bei italienischer Musik und einem vorzüglichen Essen. Der italienische Wein schmeckte so gut, dass sie zwei Flaschen davon leerten. Carmen war anfangs beunruhigt. Sie fragte sich, ob Markus überhaupt noch Autofahren konnte, wenn sie das Lokal verließen. Doch mit der Zeit verdrängte sie diesen Gedanken, und am Ende war sie selbst so beschwipst, dass sie überhaupt nicht mehr darüber nachdachte. Irgendwie hatte er seinen BMW unbeschadet bis vor das Haus, in dem sich sein Appartement befand, gelenkt. Sie tranken bei ihm noch eine Flasche Champagner, und als am nächsten Morgen der Wecker klingelte, drückte ihn Markus einfach aus und Carmen verschlief ihre Frühschicht, in der sie in der Bücherei die abgegebenen Bücher einordnen und die säumigen Leser anschreiben mußte. Markus mußte sowieso erst am Nachmittag im Autohaus sein. Er brauchte kein schlechtes Gewissen zu haben, und er schaffte es auch, Carmen dies auszureden. Wahrscheinlich würde gar niemand mitbekommen, wenn sie ihren Dienst heute Morgen nicht versah. Und außerdem öffnete die Bücherei erst 16 Uhr, und sie hatte ab dann bis zum Geschäftsschluss um 20 Uhr Dienst. Das war typisch. Sie war die jüngste Mitarbeiterin und meistens am Freitagabend eingeteilt. Markus wollte ihr einreden, dass sie ausgenutzt wurde. Doch sie liebte ihren Job. Sie arbeitete gern in der Bücherei. Und am schönsten war es, wenn sie nach Dienstschluss von ihm abgeholt wurde und sie den Abend und die Nacht zusammen verbringen konnten. Sie fühlte sich zwar elend, weil sie am Morgen nicht auf Arbeit erschienen war, doch er versprach ihr, es wieder gut zu machen. Am Freitagabend holte er sie von der Bibliothek ab. Er erzählte ihr freudestrahlend, dass er ein Wellnesswochenende für sie beide in einem Hotel im Stubaital gebucht hatte, und dass sie schnell ein paar Sachen einpacken sollte, damit sie den Abend dort heute noch genießen konnten. Carmen glaubte, nicht richtig gehört zu haben. "Aber Markus, wir waren doch erst verreist. Und wer soll denn das bezahlen?" Sie war verunsichert. Er lächelte charmant. "Ich natürlich, Schatz. Und glaub mir, ich kann es mir leisten. Wir können es uns leisten. Wir arbeiten beide viel zu viel. Wir müssen uns öfter mal eine Auszeit gönnen. Und nun beeil dich, Schatz. Wenn du keine ordentlichen Klamotten findest, kaufen wir eben dort vor Ort welche für dich." Er küsste sie auf die Stirn. Sie schüttelte verständnislos den Kopf. "Sag mal Markus, bei dir ist wohl der Wohlstand ausgebrochen, oder was?" Er strich ihr liebevoll über das dunkelbraune Haar. "Vielleicht könnte man es so nennen. Jedenfalls habe ich eine ordentliche Lohnerhöhung erhalten, weil ich eben ein guter Verkäufer bin. Und außerdem sollten wir beide das Leben verdientermaßen genießen und", er hielt kurz inne. "Vor allem sollten wir auf andere Gedanken kommen." Carmen glaubte zu wissen, worauf er anspielte, und sie wußte auch, dass sie ihm nichts von dem Klassentreffen in zwei Wochen in Leipzig erzählen durfte. Sie schob die dunklen Gedanken beiseite. Sie freute sich wahnsinnig auf das Wochenende mit Markus. Die Welt schien wieder in Ordnung zu sein, zumindest für Carmen.
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