Niemand kann sich seine Mutter aussuchen. Es ist wie beim Wetter: Nehmen, was kommt. Die meisten Mütter bewegen sich innerhalb eines normativen Rahmens. Aber es gibt Ausnahmen! Renates Mutter war eine. Sie war schon immer anders, außergewöhnlich. Nur Geduld, das gibt sich mit zunehmendem Alter, wurde Renate getröstet. Als ihre Mutter 50 wurde, meinte Renate deshalb, nun müsse sich endlich etwas ändern. Doch ihre Mutter blieb wie bisher. Sie trug weiterhin ausgefallene Kleidung, stets eine kesse Rede auf den Lippen, war gertenschlank und flott in jederlei Hinsicht. Sie frisierte und schminkte sich jugendlich, und all das fand sie richtig und normal. Zu diesem Zeitpunkt gab Renate die Hoffnung auf, ihre Mütter würde noch jemals so werden, wie andere Mütter schon immer waren.
„Hör dir das an“, sagte Renates Mutter hinter einem Zeitungsblatt hervor. „Da suchen sie auf Spiekeroog jemanden für die Sommersaison.“ „Du hast hier einen guten Job!“, antwortete Renate knapp. „Ich meine ja auch nur“, murmelte die Mutter. „Wenn die auf Spiekeroog Leute suchen, dann bestimmt auch auf anderen Inseln.“, sagte sie dann wie aus heiterem Himmel. Einige Tage später ging das Telefon in der Wohnung von Renates Mutter. Da die Mutter im Fitnessstudio war, nahm die Tochter den Anruf entgegen. Ein Fremder fragte, ob Renate X noch heute Abend in die Nachbarstadt zu einem Gespräch kommen könne. Renate erklärte, sie sei die Tochter, ihre Mutter wäre nicht daheim. Worum es ginge? „Um die Stellenausschreibung.“ Renates Mutter wusste um die Sache sofort Bescheid. Sie hätte da eine interessante Stellenanzeige entdeckt. Es sei zwar nicht auf Spiekeroog, aber auch auf einer Insel. Sie habe sich auf die Anzeige Spaßes halber gemeldet. „Mutter!“, rief Renate, „du stehst hier in einem Arbeitsverhältnis!“
Am nächsten Nachmittag hatte Renates Mutter eine neue Stelle. Weitere zwei Tage später hatte sie es geschafft, ihr bestehendes Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu lösen und erhielt darüber hinaus die Zusicherung, sie könne jederzeit auf eine Wiedereinstellung rechnen. Sie nahm sofort einige Tage Urlaub und strich die Küche. „Du kannst mit Jens in meine Wohnung ziehen!“, sagte sie. „Ihr sucht doch eine Wohnung. Deshalb streiche ich die Küche. Wenn seine Eltern zu Besuch kommen, muss es hier ordentlich aussehen!“
Mittlerweile hatte Renate erfahren, dass ihre Mutter zunächst für sieben Monate auf die Insel ziehen würde. „Wenn es mir gefällt, bleibe ich länger. Vielleicht begegnet mir dort der Mann meiner Träume“, meinte sie lachend. Als sie Renates entsetzten Augen sah, tröstete sie. „Den ganzen Monat Dezember habe ich Urlaub. Da kann ich ja kommen.“ „Wann geht es los?“ „Ende des Monats!“, antwortete sie leichthin. „Bis dahin sind es ja nur noch zwei Wochen!“ Na und? Hast du damit ein Problem?“ Jetzt ist Renates Mutter auf der Insel. Ihr 56. Geburtstag wird dort gefeiert.
jeder darf sein Leben so gestalten wie er es möchte. Renates Mutter hat jedes Recht dazu, auch wenn es dem Töchterchen nicht paßt. Ich finde sie super.
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