Als Kalle am Silvestermorgen gegen 9 Uhr aufwachte, stellte er nach einem kurzen Rundgang durch die Wohnung fest, dass er immer noch allein war. Marika war fortgegangen. Daran erinnerte er sich schmerzhaft. Aber wo war sein Vater geblieben? Wie gern wäre er jetzt Alex gegangen und hätte mit ihm geredet. Aber der befand sich ja mit Petra und Carmen und deren neuen Beischläfer in den Flitterwochen. Er war zornig, und doch wußte er, dass es ungerecht war, so zu denken. Carmen hatte einen neuen Freund, aber wenn er zu zählen begann, wieviele Mädchen er seit der Trennung von Carmen in sein Bett gelockt hatte, reichten seine zehn Finger wahrscheinlich nicht aus. Aber das war unerheblich. Für ihn bestand Carmens Verrat darin, dass sie den Mann, mit 23 Jahren war er immerhin 5 Jahre älter als Carmen und er selbst, mit dem sie die Nächte teilte, wahrscheinlich auch wirklich liebte. Er hatte lediglich seine sexuellen Bedürfnisse befriedigt und war vielleicht bei Mandy etwas in Mitleidenschaft gezogen worden, aber das Problem hatte sich schließlich von selbst gelöst. Er trauerte ihr nicht nach. Sie hatte sich hohe Ziele gesteckt, sie würde lange Zeit weit weg sein, und er mußte ihr Recht geben, wenn sie annahm, dass er nicht der Typ war, der eine Ewigkeit auf sie warten würde. Sein väterliches Erbe lastete zu stark auf ihm. Kalle hörte ein Geräusch im Flur. Es klang, als ob jemand die Wohnungstür aufschließen wollte. Er ging auf den Korridor. Die Wohnungstür öffnete sich und sein Vater stand vor ihm. Er erschrak über dessen Erscheinung. Sein aufgedunsenes Gesicht verriet, dass er die Nacht durchgezecht hatte. Sein hellbrauner Anorak war von schwarzen und dunkelroten Stellen durchtränkt. Seine Jeans wies Schlammflecken auf. Er lallte seinem Sohn zu. "Kalle, ich habe den entscheidenden Fehler meines Lebens begangen." Kalle grinste hochmütig. "Den wievielten entscheidenden Fehler deines Lebens?", fragte er. "Sei doch nicht so streng mit deinem alten Vater!", bat Robert kleinlaut. "Ich bin nicht streng. Das steht mir gar nicht zu." Kalle half seinem Vater, den Anorak auszuziehen, als er sagte. "Das Leben ist hart. Besonders, wenn man sich nicht an die Regeln hält und glaubt, es würde einem alles geschenkt. Wenn man die Dinge, die einem wirklich wichtig sind, nicht festhält, entgleiten sie uns. Und mit den Menschen ist es genauso, nicht wahr?" Kalle sah seinen Vater an. Obwohl Robert genug getrunken hatte, um nicht mehr klar zu sehen, erschrak er über die unendliche Leere in Kalles Blick. Ihm kam schmerzlich zu Bewußtsein, dass er nicht nur an Marika einen Vertrauensbruch begangen, sondern auch seinen Sohn verraten hatte. Bei diesem Gedanken lief Robert ein kalter Schauer über den Rücken. Sein Sohn hatte so hoffnungslos und abgeklärt auf ihn gewirkt, als wäre sein Leben bereits an ihm vorüber gezogen. Und er war doch gerade erst 18 Jahre alt. Sie sollten den Silvesterabend gemeinsam verbringen. Vielleicht würden sich Vater und Sohn etwas näher kommen, nachdem er Marika wegen einer leichtfertigen Affäre wahrscheinlich für immer verloren hatte. Robert taumelte ins Wohnzimmer. "Ich leg mich mal ein Weilchen hin.", hörte er seinen Sohn sagen. In seinem Zimmer öffnete Kalle eine Bierflasche, und er goss sich einen Whisky ein. Vielleicht wäre es das Beste, wenn er zu Gott beten würde, dass die Dinge wieder auf die Reihe kämen. Aber die Tatsache, dass er an keinen Gott glaubte, machte die Sache schwierig.
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