Petra traf sich ab und zu mit Alex. Manchmal lud er sie zum Essen oder ins Kino ein, einmal gingen sie gemeinsam in die Schwimmhalle, und am Samstag war Petra mit zum Hallenturnier der Fußballjungenmannschaft, die Alex trainierte, gewesen. Das hatte ihr besonders gut gefallen. Der Umgang mit den zehnjährigen Jungen hatte ihr Spaß gemacht. Sie tröstete die Spieler, die traurig waren, weil sie ausgewechselt wurden. Sie kümmerte sich darum, dass genügend Getränke da waren, und sie versorgte den besten Stürmer, als er unsanft zu Fall gebracht worden war und sich auf dem harten Parkettboden eine blutende Schürfwunde am Knie zugezogen hatte. "Du warst wirklich fantastisch.", hatte Alex auf der Heimfahrt anerkennend zu ihr gesagt. "Ein richtiger Cotrainer und Mannschaftsarzt in einem." Sie lächelte dankbar. Eigentlich hatte sie ihn bewundert, wie er mit den Jungen, die ihm offensichtlich sehr ans Herz gewachsen waren, umging. Sie fragte sich, wie er überhaupt dazu kam, so einen wilden Haufen zu trainieren, weshalb er sich diese Verantwortung aufbürdete. Sie kannten einander inzwischen etwas besser. Sie hatte ein gewisses Vertrauen zu ihm gefaßt. Und da er ihr seit dem Abend nach ihrem ersten Kinobesuch nicht mehr so nahe getreten war, glaubte sie auch nicht, dass er nur auf ein sexuelles Abenteuer mit ihr aus war. Natürlich umarmte er sie jedesmal innig, wenn sie einander begegneten. Zuweilen strich er ihr auch durchs Haar, und wenn sie spazieren gingen, legte er seinen Arm um ihre Schulter. Beim Abschied küßte er sie meist flüchtig auf die Wange. Aber das waren alles eher freundschaftliche Gesten, von denen er wußte, dass sie sie zweifellos akzeptierte. Sie hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass sie vor ihrem Praktikum in Berlin auf keinen Fall eine neue Beziehung eingehen wollte, der dann ja gezwungenermaßen doch wieder eine zermürbende Trennung folgen würde, und davor hatte sie Angst. Als er sie fragte, warum sie damals so entschieden reagiert hatte, gab sie dies und die Tatsache, dass Carmen auf ihre Frage "Was hältst du eigentlich von Alex?", geantwortet hatte. "Er ist ganz in Ordnung. Aber sieh dich vor, er wechselt die Mädchen wie seine Unterhemden." Alex hatte zutiefst beleidigt erklärt, dass er überhaupt gar keine Unterhemden trage. Dann hatte er von seinen verzweifelten Versuchen berichtet, endlich einen Menschen zu finden, um nicht mehr allein zu sein. Auf die Frage nach seinen Eltern und seiner Kindheit war er ihr ausgewichen. Da gäbe es nichts zu erzählen, hatte er mehrmals versichert. Was sie an ihm störte war, dass er Kalle in fast jeder Hinsicht in Schutz nahm. Sie hatte das Gefühl, er zog seine Gegenwart der ihren vor. Sie wußte nicht, wie sie sich verhalten sollte, wenn Carmen tatsächlich nach Bayern ging, und wie sie ihre Schwester kannte, würde es ihr gelingen. Carmen schaffte immer alles, was sie sich vornahm. Sollte sie mit Alex über Carmens Vorhaben sprechen? Sie entschied sich, ihm noch nichts davon zu erzählen, noch stand ja nichts fest. Sie hatte auch Carmen gegenüber ein schlechtes Gewissen. Sie hatte ihrer Schwester nicht erzählt, dass sie sich jetzt doch recht häufig mit Kalles Freund traf. Aber schließlich war sie ihr ja auch keine Rechenschaft schuldig. Außerdem waren Alex und sie wirklich nur Freunde. Aber warum wünschte sie sich dann manchmal, er würde wieder versuchen, sie zu küssen? Sie war sich sicher, dass sie ihn nicht wieder wegstoßen würde. Doch es hatte den Anschein, als ob er mit der Entwicklung ihrer Beziehung zur Zeit recht glücklich war. Jedenfalls strahlte er eine stille Zufriedenheit aus.
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