Wie sollt’ ich dich erkennen

Wie sollt’ ich dich erkennen? Nicht im Sinn
der zählt und wägt, was weltlich scheint zu sein
nicht in der Logik, nicht im stumpfen Sein –
ich finde dich, wo ich nur Staunen bin
Du bist der Hauch, der durch mein Schweigen zieht
ein Glanz, der in der Dämmerung erwacht
der sanft in meiner Müdigkeit entfacht
was ohne dich längst leblos weiterzieht

Du bist der erste Klang im Morgenraum
wenn Licht sich tastend über Fensterscheiben
in deine Locken legt, um dort zu bleiben
und ich begreife still du bist mein Traum
Ich finde dich im Lachen, das mich sucht
in jeder Geste, die du ungefragt
mit solcher Anmut in mein Leben trägst
als wärst du immer dort gewesen Flucht
aus allem, was mich selbst von mir entfremdet

Du nimmst das Schwere mir mit einem Blick
der mehr versteht als viele Worte je
du schenkst mir Tiefe, Licht und Herzensweh
und gibst mich mir mit Liebe sanft zurück
Ich kenn dich in der Art, wie du mich hältst
wenn ich zerfalle wie verwehter Staub
in deiner Nähe wächst ein weiter Glaube
der auch den letzten Zweifel sanft entstellt

Ich kenn dich in der Stille unsrer Tassen
im Lächeln, das in Faltern sich verliert
in deinem Blick, der meine Angst verziert
und mich mit deinen Worten neu erfassen
Ich kenn dich in der Luft, wenn du nicht sprichst
im Duft des Brotes, das du zart mir reichst
in deinem Schweigen, das mich nie erreicht
weil selbst dein Schweigen mich von innen bricht

Und wenn der Tag sich leise neigt zur Nacht
bleibst du mein Lied, mein Haus, mein stiller Raum
mein unbegriffner leuchtend weiter Traum
du bist, was über jede Stunde wacht

In jedem Tag ob fern ob nah ob leer
erkenn ich dich die Seele in meinem Blick
Ich bin nur bei dir !

© Michael Oberley - Deutscher Marktmeister und Poet des 20. Jahrhundert