Wann sie einst aufgestellt worden war, weiß niemand genau zu sagen. Vermutlich zu einer Zeit, als es in Österreich noch einen Kaiser gab und hochherrschaftliche Familien gegenüber von Triest in dem mondänen Seebad Portorož an der Adria zur Sommerfrische weilten. Wie damals spazieren die Menschen auch heute noch auf dem Landungssteg entlang, bis zum Ende, wo eine weiße Bank mit den geschwungenen Armlehnen auf Besitzer wartet. Hier sagte der schmucke Leutnant im Schein der untergehenden Sonne seiner Liebsten Adieu. Nur die blaue Adria sah ihre Tränen. Ein sanfter Wind kräuselte den makellosen Wasserspiegel und trug seine Treueschwüre mit sich fort. Dann zog der junge Mann in den Krieg. Fortan saß sie jeden Abend allein auf der Bank am Meer. Ihre Gedanken schweiften in die Ferne. Ihr Herz war so schwer. Es kamen in spärlicher Folge Briefe von ihm. Er hatte sie im Schein einer Kerze mit Bleistift auf dickes, graues Papier geschrieben. „Wie sehne ich mich nach dir, nach dem blauen Meer, der Heimat und nach unserer Bank im Abendsonnenschein. Grüß mir die Adria, meine Liebste.“ Sie verwahrte den ersten Brief, wie alle anderen Briefe, die folgten, in einer geleerten Pralinenschachtel, welche sie mit einem blauen Schmuckband umwand. Die Tage zogen ins Land. Es wurden Wochen daraus. Die Bäume an der Uferpromenade wiegten ihre Häupter im heftigen Wind, der von Osten kam. Es wurde Herbst. Und noch immer wüteten die Kämpfe. Sie saß nun fest eingehüllt in eine warme Jacke auf der weißen Bank. Das Meer trug eine grüne Farbe, und darauf ritten weiße Kronen aus Gicht. Die Masten der vertäuten Segelboote am Steg klimperten ein wehmütiges Lied. Der Ruf der Möwen klang wie Schreckengeschrei. Dann verwaiste die Bank. Der Winter überfiel mit Stürmen und Unwirtlichkeit das Land. Die Pralinenschachtel war jetzt prall angefüllt mit Briefen. Die obersten waren kurz und kaum mehr leserlich. „Ich habe nur noch einen Bleistiftstummel und zwei Kerzen. Das Grauen, das ich hier erlebe, vermag ich nicht in Worte zu fassen. Es ist eine unendliche Hölle. Meine Gedanken gehen voller Sehnsucht zu unserer Bank. Schließe ich die Augen, sehe ich dich darauf sitzen, vor dir der blaue Meeresspiegel. Mit deinen Haaren spielt der Wind. Wenn ich mir vorstel...“ Hier brach der Brief ab. Mit einer fremden Schrift in der Adresse erreichte er sie lange Zeit, nachdem er geschrieben worden war. Da hatte sie bereits erfahren, dass er den Heldentod erlitten. Der Frühling kam. Sie saß auf der weißen Bank. Ihre Blicke glitten über die makellose blaue Fläche der Adria. Es war wie früher. Es war, als sei nichts geschehen.
Liebe Jutta, eine traurige Geschichte voller Erinnerungen. ich habe sie gern gelesen. Schön. Ja, wenn Bänke erzählen könnten, aber sie behalten alle ihre Geheimnisse für sich.
die Briefe erinnern mich an die Feldpost von meinem Vater. Auch er lernte das Grauen kennen und kehrte als Schwerinvalide nach Hause zurück. Ich las deine Geschichte mit Mitgefühl.
Eine wunderschöne, traurige Geschichte, die mich an meine 1918 geborene und heute 97 jährige, liebe Omi erinnert. Ihr Mann, der Papa meiner Mama, kam nicht aus dem 2. Weltkrieg zurück. Sie hat nie wieder geheiratet und erst im Jahr 2000 erfahren, dass er im Kaukasus in einem Krankenlager verstorben ist.
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