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Schlossgeflüster
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Schlossgeflüster
Selten ist das Coswiger Schloss für die Öffentlichkeit zugänglich. Am Tag der offenen Tür, wurde ein kleiner Teilbereich des Schlosses für Besucher geöffnet. Bei einer Ansprache wurden Häppchen und Sekt gereicht, welches zu einem Gedränge führte, ganz klar, es gab etwas umsonst.
Die Gelegenheit für mich, unbemerkt ins Innere des Schlosses vorzudringen. Ich schlich auf leisen Sohlen dem geöffneten Türbogen entgegen. Niemand hatte etwas bemerkt, so konnte ich dieses alte Gemäuer in vollen Zügen auf mich wirken lassen.
Ein Krächzen, nicht laut, aber für meine sensiblen Ohren deutlich hörbar brachte mich aus der Ruhe. Ich versuchte das Geräusch zu orten und ging ihm nach.
Wenig später fand ich mich in einer Kaminnische im zweiten Stockwerk wieder. Ein riesiges Gespinst, welches mir Erpelpelle auf der Haut erzeugte hing über Wand und Decke. Wer mochte sich hier eingenistet haben? Eine Riesenspinne? Dem Gespinst nach musste sie gefühlte tausend Jahre hier schon wohnen. „Jemand zu Hause?“ rief ich mit etwas belegter Stimme. „Ist alles ok?“, das Stöhnen nahm kein Ende, obwohl niemand zu sehen war. Ich beugte mich vorsichtig nach vorne, nur soweit, um nicht im Gespinst hängen zu bleiben. Mit einem Ruck fuhr ich zusammen, gleich acht Augen sahen mir entgegen, zwei riesen Große und sechs Kleinere. „Na du bist mir ja Eine, brichst hier in unser Schloßsss ein, störst unsere Ruhe und dann biste wie eine Mimose so scheu.“ Die zwei mittleren großen Augen musterten mich Eindringling. Ohne sich auch nur einen Millimeter selbst zu bewegen sahen sie genau, was ich machte, denn die kleinen Augen waren in der Lage, mittels Netzthautverschiebung mir bei jeder Bewegung zu folgen, sozusagen eine Rundumüberwachung. Eine große haarige, dickliche Spinne kroch langsam aus ihrer Behausung.
Mit den zwei riesigen hervorstehenden Augen in der Mitte des Kopfes wirkte sie alleine gesehen schon erschreckend, aber dann waren da ja noch die vielen Kleinen Nebenaugen. Mit anderen Worten, eine gruselige Erscheinung, dennoch passend in diesem alten Schlossambiente. Mit gebrechlicher Stimme meinte sie:„ Es könnte alles besser sein, ich bin heute schlecht zu Fuß, das Laufen fällt mir schwer“. Ich sah sie an und meinte: „ Schau mal, dir fehlt ja auch eines deiner acht Beine, daran wird es liegen.“ „Was??? Acht Beine, ich habe acht Beine ?“ schrie sie hysterisch. Es gab einen kleinen Knall und sie fiel in eine tiefe Ohnmacht. Ach du Schreck, das hat mir gerade noch gefehlt ging es mir durch den Kopf. Ich besann mich, nahm aus meinem Rucksack ein frisches Feuchttuch und legte es der Spinne auf die Stirn. Seit Corona ausgebrochen war, hatte ich immer Masken, sogar diese Tücher eingesteckt. Man weiß ja nie, wofür man sie braucht. In diesem Fall war es gut, denn Mathilda, so hieß die Spinne, erwachte kurz darauf. „Na, was machst du denn für Sachen, geht es dir wieder gut?“ Es ist doch normal, dass Spinnen acht Beine haben. Außerdem hast du ja auch acht Augen.“Weshalb hast du damit ein Problem?“ Mathilda`s Augen schielten kurz in die Runde, sie murmelte: “Acht Beine, acht Augen“ und fiel einer erneuten Ohnmacht zum Opfer. Ich wedelte ihr kühle Luft zu bis sie wieder zu sich kam. „Was ist denn los, weshalb fällst du immer wieder um?“ Sie sagte ganz benommen „Ich leide unter einer Spinnen-Phobie.“ „Das ist ja seltsam, kannst du nichts dagegen tun?“ „Ich verdränge es so gut es geht, aber es hilft nicht wirklich, deswegen habe ich eine Therapie begonnen.“ „Das ist doch prima, was mußt du da machen?“ fragte ich mitleidig die arme Spinne. „Es gibt eine Menge Dinge, die man vermeiden kann. Ich schaue nie in den Spiegel, frisiere mein Haar nach Gefühl, es liegt doch perfekt, oder?“ Ein scharfer Blick kreuzte mich als sie weiter sprach: „Ein Partnerdat arrangiere ich nur mit Zwei-, Vier oder Sechsbeinern. Die wichtigste Regel, die Zahl nach der Sieben darf niemals ausgesprochen werden.“
Interessant, dachte ich, aber: “ Wenn du um Acht zum Date verabredet bist“... weiter kam ich nicht, denn erneut drehten sich sämtliche Augen Mathildas im Kreise, sie rang nach Atem und schon war sie wieder ohnmächtig.
„Du sollst doch nie diese Zahl erwähnen“, zischte die Spinne bösartig als sie zu sich kam. Der Ernst der Lage war mir nicht bewusst und so entschuldigte ich mich. Neugierig fragte ich , ob ihr der Verlust eines Beines denn nichts ausmache. „ Nö, wir Spinnen können sehr gut mit sieben oder weniger Beinen auskommen. Wir verlieren öfter mal ein Bein, das ist normal.“
Ich hatte genug von dieser Begegnung, verabschiedete mich:
„Dann geh ich jetzt mal und lass dich in Ruh, aber gib in Zukunft gut auf dich acht.“
Oh nein, nicht schon wieder! Das hätte ich besser nicht sagen sollen durchfuhr es mich, denn im selben Augenblick fiel Mathilda ohnmächtig zu Boden.
Schnellen Schrittes begab ich mich zurück in Richtung Schloßhof, mischte mich unter die Besucher und konnte ein Schmunzeln bei dem Gedanken an das intime Schloßgeflüster nicht verbergen.
Sachen gibt`s, die gib`s gar nicht.
© Monika Müller 26.07.2022

Hallo Moni,
jetzt habe ich mich gerade köstlich über Mathilda amüsiert. Habe mir die Geschichte natürlich vorlesen lassen von Dir. Dafür erhälst Du ein von mir.
Du bist ja ein Profi in Sachen lesen, trainierst Du da jeden Tag dafür? Jetzt kann ich mir sehr gut vorstellen, das die Leute in Scharen zu Dir kommen, wenn Du eine Lesung hast.

Liebe Gabi,
lieben Dank für deine Nachricht. Nein, ich übe nicht irgend wie ist es in mir drin, hab immer gern gelesen und fand es spannend, wenn andere Leute so lesen konnten, dass ich bei geschlossenen Augen dachte, ich wäre mittendrin im Geschehen. Aus dieser Sichtweise habe ich es wohl instinktiv auch so gehalten. Ich freue mich sehr, wenn die Zuhörer sich entspannt zurücklehnen und lauschen können.
In diesem Sinne, lausche ich jetzt mal, was meine Kaffeemaschine noch zu sagen hat.
Liebe Grüße Moni