Kalles Hoffnung, seine Mutter noch einmal zu sehen und zu sprechen, erfüllte sich nicht. Sein Vater hatte ihn vor drei Tagen angerufen und ihm mitgeteilt, dass seine Mutter gestorben war. Die Urnenbeisetzung sollte in drei Wochen stattfinden. Kalle hatte Urlaub beantragt und unter diesen Umständen war er ihm bereits zugesichert worden. Kalle war verzweifelt. Er hatte sich so sehr gewünscht, noch einmal mit seiner Mutter zu reden, auch wenn es ihm in erster Linie darum ging, von ihr zu hören, dass sie ihm verziehenhate. Nun würde er sein Leben lang mit dem schlechten Gewissen verbringen müssen, dass er seine Mutter herzlos im Stich gelassen hatte und vielleicht sogar an ihrer Krankheit Schuld war. Seit ihm sein Vater vom Tod seiner Mutter in Kenntnis gesetzt hatte, betrank sich Kalle jeden Abend bis zur Besinnungslosigkeit. Gestern war Mira bei ihm gewesen, doch sie war sofort wieder verschwunden, nachdem sie miteinander geschlafen hatten. Er war grob, ja beinahe rücksichtslos gewesen, wahrscheinlich hatte er ihr Angst gemacht. Er war sicher, dass sie ihn nicht sobald wieder aufsuchen würde, und es tat ihm nicht einmal leid. Seit er diese eine Nacht mit Carmen verbracht hatte, wollte er mit keinem anderen Mädchen zusammen sein. Er hatte gehofft, dass Carnen ähnlich wie er empfunden hatte, doch der Brief, den er von ihr erhalten hatte, bewies ihm das Gegenteil. Carmen schrieb, dass sie und Markus sich versöhnt hatten und dass er selbst diese Nacht im Hotel so schnell wie möglich vergessen sollte. Sie habe ihm doch gleich gesagt, dass es nicht richtig wäre, wenn sie miteinander schliefen. Sie wollte keine falschen Hoffnungen in ihm erwecken. Was zwischen ihnen gewesen war, hatte nichts mehr zu bedeuten. Sie würde ihm gern als Freund zur Seite stehen, das hatte sie ihm zugesichert, aber sie liebte Markus. Kalle war zwar nicht sonderlich überrascht, aber unheimlich wütend. Er hatte geglaubt, Carmen doch noch für sich gewinnen zu können. Aber anscheinend hatte er sich zu viel eingebildet. Er hatte seine sexuelle Anziehungskraft, die bei jeder anderen Frau so treffsicher zu wirken schien, bei Carmen weitaus überschätzt. Aber in seinem Inneren wusste er auch, dass er diese Strafe verdiente. Er hatte die Menschen, die sich um ihn sorgten, zutiefst enttäuscht. Zuerst seine Mutter, dann seinen Vater und Marika, er hatte Carmen betrogen . Er hatte Alex ausgenutzt, und vorhin hatte er Mira gedemütigt und seine blinde Wut an ihr ausgelassen. Kalle trank seine Bierflasche aus und warf sie zornig gegen die Wand. Sie zerbrach in tausend kleine Scherben. Er lachte lauthals und führte die Whiskyflasche zum Mund. Sie war noch halbvoll. Als er sie wieder absetzte, brach er in Tränen aus. Wütend schlug er mit der Faust auf die Tischplatte, so dass die Whiskyflasche um ein Haar umgekippt wäre. Er stützte sich auf das Waschbecken und blickte mit aufgerissenen Augen in den darüber hängenden Spiegel. "Ich hasse dich!", schrie er, als er sein Spiegelbild wahrnahm. Dann schlug er mit der zur Faust geballten linken Hand in das Glas. Der Spiegel zersplitterte. Kalle stieß mit voller Wucht seinen Kopf gegen die Wand. Nach dem Aufprall wurde ihm schwindlig, und er taumelte gegen das Waschbecken. Er sank auf die Knie. Seine Arme hingen schlaff herab und sein Kopf fiel unsanft gegen die Oberkante des Beckenrandes. Er glaubte, die Sterne zu sehen, dann spürte er gar nichts mehr.
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