Am Mittwochabend holte Markus Carmen nach Arbeitsschluss von der Bücherei ab, obwohl sie beide das nicht vereinbart hatten. Carmen freute sich. Sie rannte in seine Arme, und die beiden küssten sich. "Ich habe heute gar nicht mit dir gerechnet.", sagte sie überrascht, als er sie freigab. "Ich hatte Sehnsucht nach dir, Carmen, und ich muß mit dir reden. Ich schlage vor, wir bummeln durch die Stadt und dann essen wir irgendwo was." "In Ordnung.", meinte Carmen gut gelaunt. "Aber ich will nur etwas Leichtes, einen Salat oder so." Er legte seinen Arm um ihre Schulter, und sie begaben sich in Richtung Marktplatz. "Carmen", begann er zögernd. "Ich habe von Freitag an eine Woche Urlaub genommen. Ehrlich gesagt, gezwungenermaßen. Im Moment kriege ich einfach nichts auf die Reihe. Ich kann nicht mehr klar denken, seit ich deinen Ex kennengelernt habe. Ich begreife nicht wie du", seine Stimme vibrierte. "Ich habe dir doch gesagt, dass er früher anders war. Er hat sich gehen lassen. Ich bin froh, dass er weg ist. Begreif das doch endlich!" Carmen wurde nervös und ihre Freude über sein Auftauchen hielt sich plötzlich in Grenzen. "Carmen", Markus stellte sich vor sie und legte beide Hände auf ihre Schultern. "Du warst immerhin von diesem Typen schwanger. Das zu verkraften ist nicht so leicht für mich. Ich brauche einfach etwas Abstand. Und du willst ja nicht mit mir verreisen. Also werde ich allein fahren. Ich hatte das Hotel nämlich schon gebucht. Aber du hast mir ja deutlich zu verstehen gegeben, dass dir deine Arbeit und diese Scheißkulturwoche wichtiger sind." Er ließ seine Arme sinken. "Markus, bitte", stammelte Carmen. "Meine Arbeit ist mir wichtig, aber sie bedeutet mir nicht so viel wie du. Wenn ich nicht die Aufgabe hätte, die Kulturwoche zu organisieren, würde ich mitkommen. Aber diese Aufgabe... Ich bin stolz darauf." Markus sah, wie eine Träne über ihre Wange rollte. Er umarmte sie zärtlich. "Nicht weinen, mein Schatz. Ich verstehe dich ja. Aber du mußt mich auch verstehen." Carmen weinte sich an seiner Brust aus. Er streichelte ihr braunes, offenes Haar. "Schatz, ich bin ja nur vier Tage weg und dann habe ich immer noch drei Tage frei und Zeit für dich. Ich will einfach nur mal raus. Die Berge genießen, Schifahren und ausruhen, ausschlafen und auf andere Gedanken kommen. Ich bin momentan völlig neben den Schuhen. Es läuft einfach nichts mehr. In der letzten Woche habe ich nicht ein Auto verkauft." Seine Stimme wurde brüchig. Er hielt inne. "Das tut mir leid, Markus", sagte Carmen leise und blickte ihn mit ihren rehbraunen Augen vielsagend an. "Es ist ja nicht deine Schuld.", wandte er ein. "Nein", erwiderte sie verärgert. "Es ist Kalles Schuld. Er hat es schon immer hervorragend verstanden, alles kaputt zu machen. Wie konnte er nur hier auftauchen, und dann auch noch in diesem jämmerlichen Zustand. Kannst du es nicht einfach vergessen, Markus?" Sie blickte ihn flehend an. "Ich weiß nicht, Carmen.", entgegnete er ernst. "Vielleicht, aber ich brauche etwas Zeit. Und ich verspreche dir, dass ich mich am Dienstagabend, sobald ich wieder zurück bin, bei dir melde." Sie nickte stumm. Er strich ihr übers Kinn. "Lass uns jetzt etwas essen gehen. Ich habe seit heute morgen nichts gegessen und einen Bärenhunger.", gestand er. "Am Dienstagabend ist die erste Schriftstellerlesung. Ich werde ziemlich spät in Stinau sein. Ruf mich auf meinem Handy an und sprich auf die Mailbox." Er nickte, um zu zeigen, dass er es registriert hatte. Dann zog er sie in Richtung "Siertl", einer Kneipe am Marktplatz. Sie folgte ihm willig.
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