Carmen hatte wieder einmal in der Bücherei Spätdienst, was häufig der Fall war. Aber das störte sie nicht. So hatte sie am Vormittag Zeit, einige Dinge zu erledigen oder einfach mal im Frühnebel, der häufig übers Land kroch, spazieren zu gehen. Manchmal beaufsichtigte sie Nicky, wenn Andrea einen Putztermin hatte. Es war Freitagabend, und in der Bibliothek war es relativ leer, da an diesem Abend wahrscheinlich viele Leute ihre Wochenendeinkäufe tätigten. Sie saß am Pult vor ihrem Computer, kein Kunde war in Sicht. Sie erhob sich und blätterte in dem Wagen mit den zurückgegebenen Büchern, ob nicht vielleicht eins von Judith Lennox darunter war, das Petra und sie noch nicht gelesen hatten. Plötzlich hörte sie ein lautes Räuspern. Sofort drehte sie sich schuldbewußt zum Empfangstisch. Dort stand ein schlanker, blonder, auf den ersten Blick einfach atemberaubend aussehender junger Mann mit einer DVD in der Hand. "Oh, entschuldigen Sie!", stammelte Carmen verlegen. "Servus, ich wollte mir diese DVD ausleihen.", sagte er lächelnd. Er schien nicht ärgerlich zu sein. "Und sie fragen, ob Sie nicht Lust hätten, die DVD mit mir gemeinsam anzuschauen." Carmen trat näher, las den Titel der DVD und errötete ungewollt. "Oh, ich glaube, den Film haben Sie schon für jemand anderes reserviert. Außerdem bin ich nächste Woche total ausgebucht, und die DVD müssen Sie ja nach 7 Tagen zurück bringen." Er lächelte in sich hinein und ihr fiel auf, dass er nicht nur hübsch, sondern schön war. Die blonden, adrett geschnittenen Haare, die unergründlichen tiefblauen Augen, die schmale Nase, die länglichen Wangenknochen und die schlanke, makellose Figur verliehen ihm das Aussehen eines Filmschauspielers. Er trug ein weißes Seidenhemd, schwarze Jeans und eine aufwnedig geschnittene Lederjacke. Er zeigte erneut sein gewinnbringendes Lächeln. "1:0 für Sie, kleine Lady! Aber ich gebe nicht so schnell auf. Arbeiten Sie jetzt hier?", fragte er. Sie nickte stumm. "Aber Sie sind nicht von hier." Er hob bedeutungsvoll die Augenbrauen. Sie ärgerte sich jedesmal, dass, obwohl sie stets versuchte, ein einwandfreies Hochdeutsch zu sprechen, die Leute in ihrer neuen Heimat fast ausnahmslos erkannten, woher sie stammte. "Sie sind aus dem Osten hierher gekommen.", stellte er anmaßend fest, aber sie fand, dass es nicht abwertend klang. "Sie haben alles hinter sich gelassen, und Sie sind noch so jung." Ihr schoss plötzlich der Gedanke durch den Kopf, dass er einerseits recht hatte, sie war noch sehr jung, aber andererseits wußte sie auch sehr gut, dass sie noch nicht alles hinter sich zurückgelassen hatte. "Ich bin aus Sachsen.", gestand sie leise. "Eine echte Kaffeesächsin!", frohlockte er. "Wir sollten die Chance nutzen und einen Kaffee zusammen trinken.", schlug er vor. Carmen winkte ab. "Ich habe bis 20 Uhr Dienst und ich bin kein echter Kaffeesachse, das heißt, ich mag Kaffee eigentlich überhaupt nicht." Er zog die Schultern nach oben. "Das ist verdammt schade, kleine Lady. Dann sehen wir uns wieder, wenn ich die DVD zurück bringe. Ciao!" Er ging langsam davon, nachdem sie die geliehene DVD registriert hatte. Der Computer zeigte ihr die Kundendaten. Er hieß Marcus Obermaier und wohnte hier in Grafing. Er war 23 Jahre alt. Die DVD, die er ausgeliehen hatte, war der Film "Auf Messers Schneide" mit Anthony Hopkins und Alec Baldwin. Und Carmen, die den Film über die Rivalität zweier Männer kannte, fragte sich, mit wem er sich diesen Film wohl anschauen wollte.
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